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Italiens Licht

Frühe Fotografie der 'Grand Tour'















Fotografie als Souvenir, Dokumentations- und Forschungsmittel

Kaum eine andere europäische Kulturlandschaft hat in den vergangenen Jahrhunderten eine vergleichbare Faszination auf Reisende ausgeübt wie das mediterrane Italien. War die 'Grand Tour' zunächst eine Bildungsreise des jungen Adels, so entwickelte sie sich im 19. Jahrhundert mit der Emanzipation des Bürgertums zu einer touristischen Reiseroute mit stetig wachsenden Besucherströmen.

Es waren vorwiegend Fotografien von den bereisten Kulturdenkmälern, den Landschaften und ihrer Bewohner, die von dem Gesehenen Zeugnis ablegen sollten. Ein Souvenir für Reisende, aber auch ein Medium, das von Kunstwissenschaftlern und Archäologen zu Forschungszwecken eingesetzt wurde. Fotografien konnten damals nur mit hohem zeitlichem Aufwand und einer teuren, unhandlichen Apparatur entstehen. Umso dankbarer griffen viele Touristen auf die Arbeiten der professionellen Fotografenateliers vor Ort zurück.

Berühmt gewordene Fotografen wie die Brüder Alinari (Unternehmen gegr. 1854), Giorgio Sommer (1834 - 1914) oder Carlo Naya (1816 - 1882) gingen als Pioniere der Reisefotografie voran. Sie lichteten die bekanntesten Sehenswürdigkeiten ihrer Heimatstädte ab und begaben sich selbst auf Reisen, um die beliebtesten Ziele ihrer Kunden zu fotografieren und als Albuminabzug anzubieten.

Das Repertoire der hier präsentierten Bilder reicht von Landschaftsaufnahmen (meist sorgfältig komponierte Ansichten mit posierenden Komparsen) hin zu Architekturdarstellungen und Straßenszenen, die das gesellschaftliche Leben und die italienische Kultur dokumentieren.







Route der klassischen 'Grand Tour'

Die Bildauswahl und -reihenfolge der Ausstellung orientiert sich an dem Ablauf der traditionellen Italienreise im 19. Jahrhundert.

Mit Venedig als erste obligatorische Station beginnt die traditionellen 'Grand Tour'. Die Ansichten der Gondolieri auf dem Canal Grande sind zu Bildikonen unserer Kulturgeschichte geworden und bilden den Auftakt der Reise. Es folgt Verona. Ein Stadtbild, geprägt von Kirchen und Kapellen und der berühmten römischen Arena. Mailand, die dritte Station, steht dagegen mit Ansichten von seiner prächtigen Passage aus Glas und Stahlgerüst für das moderne Leben, das sich mit der industriellen und liberalen Wirtschaftsentwicklung im 19. Jahrhundert etablierte. Von der Lombardei geht es weiter nach Süden in die Toskana nach Florenz, der Wiege der Renaissance. Dank der markanten Kuppel von Santa Maria del Fiore ist Florenz auf Panoramafotos immer schnell zu erkennen. Alle Wege führen nach Rom - die Ewige Stadt galt dank ihres reichen kulturellen Erbes als die wichtigste Reisestation der klassischen 'Grand Tour'. Die vorwiegend im 19. Jahrhundert wachsende Begeisterung für Ruinen antiker Monumente und Ausgrabungsstätten machte Rom zum Höhepunkt der Bildungsreise. Beliebte Fotomotive wie das Forum Romanum dienten nicht nur als Reisesouvenir, sondern auch der Dokumentation und Forschung. Vom antiken Rom erreichen die Reisenden die Albaner Berge, eine Vulkanlandschaft mit idyllischen Naturansichten. Schließlich endet die Route weiter südlich in Neapel und Pompeji. Während in Neapel hauptsächlich das bunte Treiben auf den Straßen die Fotografen faszinierte, ist es in Pompeji wieder das historische Kulturereignis.



1. Etappe: Venedig

Carlo Naya (1816 Tronzano Vercellese - 1882 Venedig) Umkreis, Venedig: Blick von Norden über die Piazzetta auf die Libreria di San Marco, um 1890, Albuminpapierabzug (zum Shop)



Carlo Naya (1816 Tronzano Vercellese - 1882 Venedig) Umkreis, Venedig: Blick über den Canal Grande auf die Rialto Brücke, 19. Jahrhundert, Albuminpapierabzug (zum Shop)



Das von der Plattform über dem Glockenturm der Kirche San Giorgio aufgenommene Bild zeigt ein besonders häufig verwendetes Motiv, das dazu beigetragen hat, in den Köpfen der Reisenden und Sammler jene Klischees zu schaffen, die für die Lagunenstadt ikonisch geworden sind: der Stadtteil San Marco mit den Sehenswürdigkeiten, dem Palazzo Ducale, der Basilika und Kuppeln von San Marco, dem Campanile und Bibliothek von Sansovino. Der Campanile bildet eine vertikale Achse, während die Waagerechte durch die Horizontlinie in der Ferne und die Küstenlinie vor San Marco, sowie dem Dampfer im Vordergrund betont wird.

Carlo Naya (1816 Tronzano Vercellese - 1882 Venedig) Umkreis, Venedig: Blick aus der Vogelperspektive auf Insel San Marco, 19. Jahrhundert, Albuminpapierabzug (zum Shop)

2. Etappe: Verona

Domenico Anderson (1854 Rom - 1938 ebd.), Verona: Blick über den Vorplatz auf Basilica di San Zeno, 19. Jahrhundert, Albuminpapierabzug (zum Shop)



Die Piazza delle Erbe war in der Antike Markt- und Versammlungsort der Stadt und ist auch heute noch ein lebendiger Platz. Der langgestreckte Platz wird von reich verzierten Palazzo-Fassaden gesäumt. Der erhöhte Kamerastandpunkt, vermutlich aus einem Fenster, ermöglicht einen weiten Bildausschnitt, der die Passanten auf der Straße erfasst. Über den Platz verteilt befinden sich stehende und gehende Personen und Gruppen, vorwiegend Männer mit Hut und Mantel, manche auch in Uniform. Einige der Personen im Vordergrund schauen wartend in die Kamera. Aufgrund der Ausschnitthaftigkeit der Figuren ist davon auszugehen, dass sie nachträglich in das Bild integriert wurden. Die Architektur der Stadt abzubilden und mit Leben zu füllen, scheint im Interesse des Fotografen gewesen zu sein.

V. Florianello (19. Jahrhundert), Verona: Blick über die belebte Piazza delle Erbe, 19. Jahrhundert, Albuminpapierabzug (zum Shop)





Giorgio Sommer (1834 Frankfurt am Main - 1914 Neapel), Verona: Blick aus erhöhter Sicht auf die Arena und die Stadt, um 1880, Albuminpapierabzug (zum Shop)





3. Etappe: Mailand

Giorgio Sommer (1834 Frankfurt am Main - 1914 Neapel) Umkreis, Mailand: Stadtansicht mit Tessiner Tor, 1880, Albuminpapierabzug (zum Shop)



Giovanni Battista Brusa (1822 - 1881), Mailand: Galleria Vittorio Emanuele II., um 1880, Albuminpapierabzug (zum Shop)



4. Etappe: Florenz

Fratelli Alinari (19. Jahrhundert) Umkreis, Florenz: Blick über die Dächer der Stadt mit dem Duomo, um 1880, Albuminpapierabzug (zum Shop)



Fratelli Alinari (19. Jahrhundert) Umkreis, Florenz: Stadtansichtmit dem Dom in der Ferne, um 1880, Albuminpapierabzug (zum Shop)



Fratelli Alinari (19. Jahrhundert) Umkreis, Florenz: Blick auf die Loggia dei Lanzi, Albuminpapierabzug (zum Shop)



Fratelli Alinari (19. Jahrhundert) Umkreis, Florenz: Stadtansicht mit Blick über den Arno, Albuminpapierabzug (zum Shop)

5. Etappe: Rom



Fratelli Alinari (19. Jahrhundert) Umkreis, Rom: Kolosseum, Blick in den Innenraum, um 1880, Albuminpapierabzug (zum Shop)



Fratelli Alinari (19. Jahrhundert), Rom: Piazza Bocca della Verità, um 1880, Albuminpapierabzug (zum Shop)



Fratelli Alinari (19. Jahrhundert), Rom: Trevi-Brunnen von Nicola Salvi, um 1880, Albuminpapierabzug (zum Shop)



Die Via Appia wurde durch den Censor Appius Claudius Caecus Ende des 4. Jh. v. Chr. erbaut und erstreckte sich von Rom bis Capua. Die besterhaltene der großen römischen Straßen eignet sich besonders gut für die wissenschaftliche Dokumentation der Ruinen antiker Infrastrukturen. Die Aufnahme folgt kompositorischen Regeln. Die Via Appia teilt die Landschaft als diagonale Linie, die im Vordergrund von links unten in die Tiefe nach rechts oben führt. Dazu bilden die zwei markanten Pinien eine Senkrechte, die vertikal durch die Mitte verläuft. Während im Vordergrund eine freie Wiese zu sehen ist, erstrecken sich im Hintergrund die Bögen der antiken Aqua Claudia, eines der beliebtesten Motive der frühen archäologischen Fotografie. Um die historische Straße zu beleben und eine malerische Wirkung zu erzielen, hat der Fotograf Kutschen und Staffagefiguren in den Bildmittelgrund eingefügt. Die beiden Pinien sowie die Komparsen werfen lange Schatten und definieren den Raum.

Fratelli Alinari (19. Jahrhundert) Umkreis, Via Appia: Blick auf die Ruinen der Bögen des Claudio Aquädukts, 19. Jahrhundert, Albuminpapierabzug (zum Shop)



Fratelli Alinari (19. Jahrhundert) Umkreis, Tivoli: Blick in die Schluchten und Wasserfall hoch zum Vesta-Tempel, um 1880, Albuminpapierabzug (zum Shop)



5. Etappe Albaner Berge



Domenico Anderson (1854 Rom - 1938 ebd.), Albaner Berge: Dame am Albaner See, um 1880, Albuminpapierabzug, (zum Shop)



Unbekannt (19. Jahrhundert), Albaner Berge: Blick auf Genzano am Nemisee, 19. Jahrhundert, Albuminpapierabzug (zum Shop)



Unbekannt (19.Jhd), Albaner Berge: Mönch am Albaner See, um 1880, Albuminpapierabzug (zum Shop)



Der Nemisee, ein Kratersee in den Albaner Bergen etwa 30 Kilometer südöstlich von Rom, war seit Beginn des 19. Jahrhunderts ein beliebtes Motiv für italienreisende Maler und wurde auch von Fotografen immer wieder aufgesucht. Das Naturstück zeigt einen von Ästen, Gräsern und Blättern verhangenen Blick auf das Gewässer. Der begrenzte Ausschnitt ist ungewöhnlich für die Landschaftsfotografie, die zumeist Naturpanoramen zeigt. Da sich aufgrund der langen Belichtungszeit Himmelsphänomene oder Wellenbewegungen nicht erfassen lassen, ist die Oberfläche des Sees glatt und der Himmel wolkenlos. In der Ferne liegt das gegenüberliegende steile Ufer, das sich im Wasser spiegelt. Die Kamera hat ein Spiel der Kontraste eingefangen. Während die Felsen im Hintergrund blass erscheinen, heben sich die feinen, im Schatten liegenden Blätter und Gräser im Vordergrund scharf und deutlich ab. Ihre geschwungenen Silhouetten spiegeln sich im Wasser, sodass abgebildete Realität und Spiegelbild nur schwer zu unterscheiden sind, dafür aber an ästhetischem Wert gewinnen. Ein schönes Spiel geschwungener Linien.

Domenico Anderson (1854 Rom - 1938 ebd.), Albaner Berge: Verhangener Blick auf den Nemisee, 19. Jahrhundert, Albuminpapierabzug (zum Shop)





6. Etappe: Neapel





Fratelli Alinari (19. Jahrhundert), Neapel: Lebendige Straßenszene. Strada die Santa Lucia, heute Via Santa Lucia mit Blick auf den Hügel Pizzofalcone, um 1880, Albuminpapierabzug (zum Shop)



Fratelli Alinari (19. Jahrhundert), Neapel: "Gradoni di Chiaia", Blick in die belebte Straße, 19. Jahrhundert, Albuminpapierabzug (zum Shop)



Fratelli Alinari (19. Jahrhundert), Neapel: Panoramaausblick mit Pinie auf Küste und Vesuv, 19. Jahrhundert, Albuminpapierabzug (zum Shop)

Das Panorama von Neapel mit der Pinie im Vordergrund und dem Vesuv im Hintergrund gehört zu den klassischen Ansichten des Golfs von Neapel. Die Fotografie greift hier den gewohnten Blick aus der Vogelperspektive auf, der bereits auf Stichen, Zeichnungen und Gemälden dieser Art zu finden ist. Die Fotografie ist dreigeteilt: Der vordere Bereich mit Büschen und Kiefern markiert den Standort des Fotografen, der von einem erhöhten Blickwinkel auf die darunter liegende Stadt und Küste schaut, den Mittelgrund des Bildes. Den Hintergrund bildet der sich rechts erstreckende Vesuv, dessen Spitze in Wolken oder gar Rauch gehüllt zu sein scheint. Der Pinienbaum, besser bekannt unter dem Namen „Il Pino di Napoli“, auf dem Gipfel des Hügels von Posillipo ist in zahlreichen Gemälden und Fotografien dargestellt. Der Baum ist zum Symbol Neapels geworden und prägt die Darstellung des charakteristischen Panoramas von Neapel. Ob klassisch im Bildmittelpunkt oder an den Bildrand gerückt, die berühmte Pinie ziert ganze Serien gemalter Landschaftsdarstellungen und fotografischer Aufnahmen. So hat Giorgio Sommer sie mehrfach fotografiert, auch Giacomo Brogi und andere haben dieselbe Ansicht immer wieder aufgegriffen. Mit der Einführung der Postkarte wurde dieses charakteristische Motiv bei den Touristen sehr beliebt und zum meistgekauften Bild der Ansicht Neapels.





Fratelli Alinari (19. Jahrhundert), Neapel: Herkules Farnese im Museo Nazionale, 19. Jahrhundert, Albuminpapierabzug (zum Shop)



Fratelli Alinari (19. Jahrhundert), Neapel: Maccheroni Fabrik, 19. Jahrhundert, Albuminpapierabzug (zum Shop)



Fratelli Alinari (19. Jahrhundert), Neapel: Panoramablick auf die Stadt, 19. Jahrhundert, Albuminpapierabzug (zum Shop)



Fratelli Alinari (19. Jahrhundert), Pastafest, 19. Jahrhundert, Albuminpapierabzug (zum Shop)







7. Etappe: Pompeji



Fratelli Alinari (19. Jahrhundert), Pompeji: Skulpturfragmente auf dem Marktplatz Forum Civiles, 19. Jahrhundert, Albuminpapierabzug (zum Shop)



Fratelli Alinari (19. Jahrhundert), Pompeji: Strada della Fortuna, 19. Jahrhundert, Albuminpapierabzug (zum Shop)



Der weitläufige Platz war das Forum der Stadt. Hier versammelte sich das Volk und beriet über die Vorschläge des Magistrats. Die erhöht aufgestellte Kamera bietet dem Betrachter eine Übersicht der Gesamtlänge des Platzes. Eine Straße, die entlang den Säulen und Ruinen des Platzes verläuft, führt den Blick bis weit in die Bildtiefe. Dahinter erhebt sich die gewaltige Silhouette des Vesuvs. Vereinzelte ferne Pinien, die trotz der Distanz beeindruckend scharf wiedergegeben sind, säumen den Horizont und kennzeichnen die Vegetation der italienischen Landschaft. Eine Abendstimmung begleitet die Stätte. Die Sonne steht tief, das Licht ist warm und die Säulen werfen lange Schatten auf den Boden. In der Bildmitte hat der Fotograf einen Statisten platziert, der auf Mauerresten sitzend in die Kamera blickt und geduldig auf die Belichtungszeit des Objektivs wartet. Durch seine Präsenz wird das Größenverhältnis von Mensch, Architektur und Anlage besser nachvollziehbar.

Fratelli Alinari (19. Jahrhundert), Pompeji: Blick über das Forum Civiles, 19. Jahrhundert, Albuminpapierabzug (zum Shop)

8. Etappe: Vesuv



Unbekannt (19. Jahrhundert), Vesuv: Blick in den Krater, 19. Jahrhundert, Albuminpapierabzug (zum Shop)



Eine spektakuläre Aufnahme, die in ihrer Panoramagröße die Naturgewalt noch einmal vor Augen führt. Erst auf den zweiten Blick entdeckt man die winzigen Staffagefiguren, die in den lavabedeckten Hängen des Somma posieren. Bemerkenswert ist die scharfe, detailreiche Wiedergabe des Lavagesteins mit seinen Kanten, Nuancierungen und Licht- und Schattenwirkungen. Hier wird deutlich, dass das Medium Fotografie für die geologische Forschung ideal verwendet werden konnte.

Fratelli Alinari (19. Jahrhundert), Vesuv: Weite Lavagesteinslandschaft, um 1880, Albuminpapierabzug (zum Shop)



Weshalb sammelten die Liebhaber der 'Grand Tour' die fotografischen Aufnahmen? Weil sie in ihr Heimatland das zurücktrugen, was die Erinnerung unausweichlich für immer ausgelöscht hätte. Ein Monument gesehen zu haben bedeutete, ein Bild davon zu besitzen und folglich in der Lage zu sein, seine Geschichte festzustellen. (Kunsthistoriker Michele Falzone del Barbaró)







Eine Online Führung von H. W. Fichter Kunsthandel

Text und Konzeption Anna Toepffer



Im Rahmen der Ausstellung ,Italiens Licht. Frühe Fotografie der 'Grand Tour'’

Ein Projekt von

H. W. Fichter Kunsthandel Arndtstr 49 60325 Frankfurt a. M.